Alpha und Omega, Anfang und Ende

von Georg Kasch

Heidelberg, 5. Mai 2017. Freunde sind das A und O. Weil auch Freundschaften einen Anfang haben, müssen sich A und O erst mal selbst und dann die restliche Welt erschaffen: Erde, Himmel, Sonne. Eine Freundschaft, die Unterschiede aushält, schließlich aber getrennt wird, als für A die Schule beginnt, O aber noch im Kindergarten bleibt. Was zwar ein Ende markiert, aber auch einen neuen Anfang.

A und O erschaffen sich ihre Welt

Anfang und Ende stecken prominent in Carsten Brandaus "Himmel und Hände", das in seiner Aalener Uraufführungsinszenierung 2016 den Mühlheimer Kinderstückepreis gewann und deshalb traditionell in Heidelberg außer Konkurrenz gezeigt wird. Brandau erhielt den Preis zum zweiten Mal in Folge – vor einem Jahr lief deshalb beim Stückemarkt Dreier steht Kopf, in einer Uraufführung, die allenfalls erahnen ließ, welche (Un-)Tiefen in Brandaus sprachspielerischem Witz stecken.

Himmel und Haende 700 PeterSchlipfA (Marcus Krone) und O (Alice Katharina Schmidt) behandeln im Sandkasten erste und letzte Fragen
© Peter Schlipf

Das ist in Winfried Tobias' Inszenierung anders. Um seinen kleinen Theaterkosmos zu erschaffen, braucht er nur eine runde weiße Spielfläche, dazu einen Spotscheinwerfer, hinten hängt ein aufgespanntes himmelblaues Tuch. Aus der riesigen weißen Reisetüte schälen sich allmählich zwei Figuren, Riesenbabys fast in ihren Unterwäscheeinteilern, die sich bald A und O nennen nach ihren Lieblingsbuchstaben und ihre Welt schöpfen: Die Sonne geht dank des Scheinwerfers auf, die Sterne tanzen, weil eine Taschenlampe auf die Diskokugel trifft, mit dem Kies aus den Säckchen, die das Spotstativ stabilisieren, erschafft sich O einen Sandkasten.

Mach dir dein Gewitter selbst!

"Ich will buddeln will ich", so geht Brandaus Rhythmus, der sich oft "rochts und lonks" an einzelnen Vokalen entlanghangelt wie Ottos Mops, ohne sich dabei allzu umständlich zu spreizen. Wie gut der Text das Interaktive des Kindertheaters aushält, ja provoziert, merkt man, als die Schauspieler Fragen stellen und die Antworten des Publikums lässig in die Handlung zurückbiegen. Einmal, als Marcus Krones A die Kinder nach einem Gewitter fragt, das er bräuchte, um sich in die dunkle Höhle zu trauen, in der O hockt, schlägt ein Mädchen vor: "Nimm doch ne Blechdose und hau selbst drauf!" Da hat sie den Zauber der Inszenierung klug auf den Punkt gebracht.

Der funktioniert auch deshalb so gut, weil Marcus Krone und Alice Katharina Schmidt mit dem Publikum interagieren, ohne sich anzubiedern. Schmidt erfindet als O zudem einen eigenständigen Charakter, ein verspieltes, wildes, die Dinge infrage stellendes Mädchen, gegen das Krones A ein bisschen blass bleibt. Der Wirkung dieses kurzen, gewitzten und sowohl erste wie letzte Fragen berührenden Vormittags tut das aber keinen Abbruch.

 

Himmel und Hände
von Carsten Brandau
Uraufführung
Regie: Winfried Tobias, Bühne und Kostüme: Ariane Scherpf, Dramaturgie: Anne Klöcker.
Mit: Marcus Krone, Alice Katharina Schmidt.
Dauer: 40 Minuten, keine Pause

www.theateraalen.de

 

 

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